Kennst du das? Eine Aufgabe wird an dich herangetragen, von der du intuitiv weißt, dass du sie eigentlich ablehnen solltest. Du ahnst zwar bereits die negativen Folgen, entscheidest dich aber trotzdem gegen dein Gefühl. Und obwohl du weißt, dass du dies bitter bereuen wirst, ertappst du dich immer wieder dabei, vorschnell „ja“ zu sagen. So halst du dir eine unliebsame Aufgabe nach der nächsten auf. Wie kann es dir gelingen, öfter „nein“ zu sagen und dich dabei sogar gut zu fühlen?
Als Jugendlicher hatte ich genau solch einen Aufkleber auf meiner Zimmertür.
Meine Freunde fanden das natürlich ziemlich „cool“, während es auf meine Eltern und meinen Bruder wohl eher provokant gewirkt hat.
Naja – da das Hauptziel dieser Lebensphase ja das Üben von „Abgrenzung“ war, würde ich sagen: Lernziel erreicht.
Doch Spaß beiseite:
Von dieser Lebensphase abgesehen (die ja jeder mehr oder weniger stark ausgeprägt durchlaufen hat), fällt es vielen von uns im weiteren Leben häufig gar nicht so leicht, sich angemessen abzugrenzen und regelmäßig „nein“ zu sagen.
Insbesondere für dich als Selbstständigen oder Unternehmer birgt das aber eine enorme Gefahr:
Wenn du dazu neigst, öfter JA als NEIN zu sagen, wirst du sehr wahrscheinlich
• das Gefühl haben, in einem Hamsterrad aus Aufgaben und Verpflichtungen gefangen zu sein
• eine niemals endende To-Do-Liste haben, die eher größer als kleiner wird
• unter ständigem Zeitdruck und Stress stehen
• früher oder später die eigenen Ziele aus dem Blick verlieren
Was ist zu tun?
Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Hintergründe, die für das Entstehen einer solchen Dynamik wesentlich sind.
Denn – ob im privaten oder beruflichen Kontext – jeder von uns kennt diese Situation:
Ich werde um etwas gebeten oder soll eine Aufgabe übernehmen, weiß aber (zumindest intuitiv), dass dies nur auf Kosten meiner anderen wichtigen Projekte oder Bedürfnisse geht, die dann hinten anstehen müssen.
Ich stehe also vor einem scheinbar ausweglosen Dilemma:
Sage ich
• JA – und weiß dabei genau, dass ich damit meine eigenen Prioritäten vernachlässige oder meine eigenen Bedürfnisse verleugne
oder sage ich
• NEIN – und riskiere dabei, unfreundlich zu wirken, mein Gegenüber zu verletzen, oder sogar von ihm abgelehnt zu werden
Wenn ich also „ja“ sage, obwohl ich eigentlich „nein“ meine, hat das in der Regel einen dieser beiden Gründe:
a) Ich bin mir nicht sicher über meine eigenen Prioritäten oder Ziele
b) Ich fürchte, von meinem Gegenüber abgelehnt zu werden
Es geht also im Kern um die Frage:
Wie kann ich selbstbewusst die eigenen Prioritäten vertreten und trotzdem dem Gesprächspartner gegenüber freundlich und emphatisch bleiben?
Dem NEIN den Schrecken nehmen
Dies gelingt mir leichter, wenn mir klar wird, dass das vermeintlich „Gute“ (in der Aufgabe, die von außen an mich herangetragen wird) oft genug der Feind des „Besten“ ist.
Als Unternehmer (und als Mensch) habe ich mich aber selbst verpflichtet, für das „Beste“ anzutreten.
Zuerst mache ich mir daher bewusst, dass ich
• klare Ziele habe
• über 168 Stunden Zeit pro Woche verfüge (genau wie jeder andere Mensch auch)
• gut daran tue, die (scheinbar) dringenden von den wichtigen Aufgaben zu unterscheiden
Dadurch wird sichtbar, dass ich im Alltag eigentlich ständig zu irgendetwas NEIN sage (bewusst oder unbewusst).
Dies ist ein Naturgesetz, da ich – wie alle Menschen – nur über eine begrenzte Menge der Ressource „Zeit“ verfüge. Wenn es aber nicht die scheinbar dringenden Dinge sind, zu denen ich NEIN sage, dann werden es in Folge die fundamentalen und wichtigen Dinge sein.
Dem „JA“ (zu den wichtigen Dingen) den Vortritt gewähren
Die obigen Überlegungen ermöglichen mir, zu erkennen, dass
• ich allein die volle Verantwortung für die Verwendung meiner Zeit trage
• in jedem NEIN zu irgendetwas immer ein klares JA zu meinen wichtigen Zielen steckt
Je mehr Klarheit ich also über meine eigenen Prioritäten, Werte und Ziele habe, desto mehr Sicherheit gewinne ich für die nächsten Schritte. Denn dann lodert in meinem Inneren bereits ein großes JA für die wirklich wichtigen Dinge.
(Wenn du mehr Klarheit und Unterstützung bei der Planung deiner eigenen Ziele benötigst, empfehle ich dir diesen Artikel).
Wie gelingt es mir aber nun leichter – vielleicht sogar mit einem freundlichen Lächeln – einer Anfrage (eines vielleicht ebenso freundlichen und mir nahestehenden Menschen) mit einem NEIN zu begegnen?
Ich empfehle diese bewährte Strategie:
„NEIN“ sagen in 3 Phasen:
1. Sage JA
2. Sage NEIN
3. Sage JA
1. Sage JA
Sage JA zu dem Menschen, der dich fragt.
Schenke ihm ein Lächeln. Teile ihm mit, dass du dich freust, dass er dich für diese wichtige Aufgabe „gewinnen“ möchte. Zeige ihm damit, dass du dich wertgeschätzt fühlst. Dadurch wird er sich ebenfalls wertgeschätzt fühlen!
Sage ebenfalls JA zum Thema und zum Hintergrund der Anfrage.
Richte deinen Blick auf das „Interessante“, vielleicht sogar „Positive“ an der Aufgabe, die an dich herangetragen wird. Versuche, die dahinterliegenden Werte und Ziele zu erkennen und zu würdigen. Bringe – wenn du dies ehrlich tun kannst – zum Ausdruck, dass du die Wichtigkeit der Aufgabe erkennst und die dahinterstehenden Werte teilst.
2. Sage NEIN
Sage zu der konkreten Anfrage klar und eindeutig NEIN.
Bleibe dabei kurz und knapp und versuche, es mit einem Lächeln zu begleiten. Das erhöht die Chance, dass dein Gegenüber es nicht als persönliche Ablehnung missversteht.
Achtung: Es ist wichtig, hier wirklich ganz klar und unmissverständlich zu sein!
Sage nicht „vielleicht“, nicht JEIN und nicht „ich überlege es mir noch einmal“. (Dies zieht deinen „Schmerz“ nur unnötig in die Länge).
Fasse dich so kurz wie möglich und vermeide lange Erklärungen. (Dies hält den „Schmerz“ klein und fühlt sich nur wie ein kleiner „Piekser“ an).
Bedenke: Dieser kleine „Piekser“ ist unvermeidlich. Mit ein wenig Übung wirst du ihn aber nach und nach kaum noch spüren – versprochen!
3. Sage JA
Sage zum Schluss noch einmal JA zur Wertschätzung deiner Person, die dir durch die Anfrage zuteil wurde.
Bringe deinen Dank zum Ausdruck, dass gerade du gefragt wurdest. Zeige dem Fragenden, dass dir klar geworden ist, dass er dir damit großes Vertrauen entgegengebracht hat.
Beispiel:
Ein Freund von mir wurde einmal bei einem Elternabend in der Schule seines Sohnes von einer anwesenden Mutter für das Amt des Klassenpflegschafts-Vorsitzenden vorgeschlagen. Dies fiel in eine Zeit, in der er gerade viele neue berufliche Verpflichtungen übernommen hatte, so dass er wusste, dass ein JA auf diese Anfrage bedeutet hätte, zu wenig Zeit für seine wichtigen beruflichen Ziele zur Verfügung zu haben.
Auf die Frage, ob er das Amt übernehmen könne, antwortete er:
„Nun, ich weiß aus Erfahrung, dass dies eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe ist und ich fühle mich geehrt, dass Sie mich dafür vorschlagen. Aus verschiedenen beruflichen Gründen muss ich NEIN sagen. Ich möchte mich aber sehr für das Vertrauen bedanken, dass sie mir gegenüber mit ihrer Anfrage zum Ausdruck bringen. Ich weiß das zu schätzen.“
Tipp für Profis:
Gelegentlich (eher selten) kann ein zusätzlicher Schritt sinnvoll sein:
Biete deine Unterstützung dabei an, den passenden Kandidaten für die Aufgabe zu finden.
Aber Vorsicht! Verwende diesen Schritt erst, wenn du die ersten 3 Phasen gut beherrschst, regelmäßig erfolgreich anwendest und dich mit ihnen wohlfühlst.
Dieser Schritt kann dir gute Dienste leisten, wenn eine wirklich große und wichtige Aufgabe an dich herangetragen wird und dir zusätzlich auch die Beziehung zum „Anfragenden“ sehr wichtig ist.
Für „Ungeübte“ birgt er aber die große Gefahr, dass er schnell als „Zurückrudern“ missverstanden werden kann oder du dich versehentlich „um Kopf und Kragen redest“ und dabei selbst dein klares NEIN aus den Augen verlierst.
Da spreche ich übrigens aus Erfahrung: Mir ist es auch schon einige Male passiert, dass ich auf diese Art plötzlich selbst mein NEIN wieder in ein JA verwandelt habe (und mir damit ein klassisches „Eigentor“ geschossen habe).
FAZIT:
„Nein“ sagen will gelernt sein!
Aber mit dem Wissen, dass ein NEIN immer ein JA zu deinen eigenen wichtigen Zielen und Prioritäten beinhaltet, wird es dir zunehmend besser gelingen.
(Mehr Klarheit darüber, welche deine wichtigsten Prioritäten im Leben sind, kann dir auch dieser Artikel geben).
Frage:
Wann ist es dir das letzte Mal besonders schwer gefallen, „nein“ zu sagen?
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